Die vorherrschende Armut in Deutschland betrifft jedoch nicht nur Obdachlose. Auch unsere Rentner, Kinder und Enkelkinder, Familien … sie alle sind betroffen. Und das hier in Deutschland. Oftmals deckt die Rente nicht einmal den Bedarfsatz eines ALG II-Empfängers. So gehen die Rentner auf die Straße … nicht um zu demonstrieren, nein, um Leergut zu sammeln. Viele Menschen drehen jeden Groschen zehnmal um, bevor sie ihn ausgeben. Jüngere Kinder tragen die Kleidung der älteren Geschwister oder Kleidung aus dem Secondhand-Laden. Hausfrauen durchwälzen Prospekte und rennen von einem Geschäft ins andere, um das günstigste Angebot noch bei Zeiten holen zu können und ihren Liebsten ein gesundes Mahl zu zaubern. Eines haben all diese Menschen jedoch nicht verloren, ihre Menschlichkeit. Sie lächeln, wenn Du ihnen ein wenig zu essen gibst, wenn sie Deine Pfandflaschen haben dürfen, wenn Du ihnen etwas Kleingeld gibst oder aber auch nur sie anlächelst oder mit ihnen redest.
Auch mein Mann, unser Kumpel Matze und ich hatten ein einschneidendes Erlebnis. Wir zogen nachts in Oldenburg um die Häuser, um uns ein wenig zu amüsieren. Auf einem öffentlichen Platz vor dem Eingang eines Kaufhauses saßen zwei ältere Straßenmusikanten. Kaum jemand der abendlichen Partygänger blieb stehen, um zu lauschen, mit Scheuklappen liefen sie vorbei. Wir jedoch blieben stehen, hörten ihnen einen Augenblick zu und kamen ins Gespräch. Da keine weitere Sitzmöglichkeit in der Nähe war, fragte ich den holländischen Straßenmusiker ob ich mich zu ihm setzen dürfte. Er bejahte dies und bot mir sogar einen Schluck aus seiner Bierflasche an. Nun, ich war durstig … so trank ich und bedankte mich artig. Riky und Matze gingen los und besorgten noch ein wenig was zu trinken – für uns alle! Nachdem sie wieder zurück waren, saßen wir alle im Kreis. Gemeinsam sangen und sprachen wir miteinander. Als wir uns dann auf den Weg machten, bedankten sich die Straßenmusiker mit solch einem Leuchten in den Augen, dass ich dachte es ist taghell. War es auch, in meinem Herzen. Ich denke noch oft an diese Situation, sie wird unvergesslich bleiben.
Nun habe ich schon wieder mehr geschrieben, als ich eigentlich wollte. Meine Botschaft ist eigentlich nur die: „Verschließt nicht Euer Herz und Eure Augen. Bewahrt Euch Eure Menschlichkeit. Urteilt nicht über Menschen, deren Situation Ihr gar nicht kennt. Vergesst niemals Eure Mitbürger.“
Und mein Denkanstoß an die etablierten Parteien und Politiker: „Es gibt mehr als nur Flüchtlinge. Es gibt viel zu tun, auch im eigenen Land. Packen wir es an.“
Zum Abschluss ein Zitat, welches ich auf Facebook gelesen habe:
„Manche Menschen würden sich erschrecken,
wenn sie statt ihrem Gesicht,
plötzlich ihren Charakter im Spiegel sehen würden.“
2016 gez. Nina Ehrke – Co-Autoren: Tanja Meyer und Matthias Schulzke